Isar-Resolution: Stadt am Fluss – Grüne Vorstellungen für Natur und urbanes Leben im innerstädtischen Isarraum

Präambel

München ist seit der Gründung eine Stadt am Fluss, die Isar war immer identitätsstiftend für die Stadt und ihre BewohnerInnen – dennoch ist das Verhältnis Münchens zur Isar gespalten. Denn die Isar brachte auch immer wieder Hochwasser und Zerstörung in die Stadt, sodass sie im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts immer stärker in ein Korsett aus Stein und Beton gezwungen wurde. Vom ursprünglichen Gebirgsfluss war nur noch wenig übrig – und die Stadt wandte sich von der Isar ab. Ihre Ufer wurden Straßenschneisen für den Autoverkehr, insbesondere in der Innenstadt war die Isar naturfern und für die Münchnerinnen und Münchner wenig einladend.

Mit der auch von uns GRÜNEN angestoßenen und begleiteten und in den Jahren 2000 bis 2011 erfolgten Renaturierung der Isar im Bereich zwischen Großhesseloher Wehr im Süden und Deutschem Museum im Zentrum gelang dann eine einzigartige Erfolgsgeschichte: die Isar wurde dort wieder ein naturnaher Fluss, der mäandern, sich bei Hochwasser selbst neu gestalten kann und Flora und Fauna wieder Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Die gesamte innerstädtische Isar mit ihren Uferbereichen ist als Landschaftsschutzgebiet und von der südlichen Stadtgrenze bis zur Braunauer Eisenbahnbrücke sogar als FFH-Gebiet ausgewiesen. Im Bereich des FFH-Gebietes besteht grundsätzlich ein Verschlechterungsverbot.

Durch die Renaturierung hat die Isar auch eine für eine Großstadt einzigartige Attraktivität für ihre BewohnerInnen erhalten. Durch die weitgehende Beseitigung der Kanalisierung ist die Isar für viele Münchnerinnen und Münchnern wieder als naturnaher Fluss erlebbar – und wird begeistert genutzt. Diese Erholungsfunktion war neben der Herstellung einer naturnahen Flusslandschaft und dem Hochwasserschutz eines der drei Ziele der Renaturierung.

Wir GRÜNEN sehen es als unsere vordringliche Aufgabe an, die an der Isar wiedergewonnene Natur bestmöglich zu schützen und sie so gleichzeitig für die Münchnerinnen und Münchner als Erholungsraum zu bewahren. Der Naturraum Isar ist stadtökologisch von hohem Wert: Er ist wichtige Frischluftschneise quer durch die Stadt und ein bedeutender Klimaregulierer. Die Isar ist als Erlebnis-, Naherholungs- und Freizeitraum identitätsbildend für München. Dies dient nicht nur dem Schutz der für eine Großstadt herausragenden Naturlandschaft und Artenvielfalt, sondern auch dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen und vor allem auch den Münchnerinnen und Münchnern.

In einer stark wachsenden Stadt mit schwindenden Flächenreserven, in der immer mehr Menschen Erholung suchen und den Isarraum nutzen, entstehen neue Konflikte. Politik kann diese Konflikte nicht ignorieren und muss Lösungen sowohl im Sinne des Natur- und Umweltschutzes als auch im Sinne der Menschen, die die Isar als Erholungsraum nutzen, suchen.

Aufgabe von Politik ist es nicht, den Menschen vorzuschreiben, wie sie ihre Freizeit verbringen und ob sie lieber entspannt am Fluss flanieren, dort Sport treiben oder sich im Sommer abends dort mit Freunden treffen. Aufgabe der Politik ist es zu prüfen, welche Nutzungsformen wo sinnvoll und verträglich sind und wie die verschiedenen Interessen der Münchnerinnen und Münchner unter einen Hut gebracht werden können. Wir GRÜNEN befürworten kulturelle und freizeitliche Nutzung  an den Stellen, die dafür geeignet sind. Gleichzeitig setzen wir uns für Ruhe- und auch Tabuzonen (z.B. Kleine Isar oder Schwindinsel) ein, wo es nötig und angemessen ist, um die Isar in ihrer stadtökologischen Qualität zu bewahren.

Der Schutz der Isar braucht klare Regeln, die alle befolgen. Als GRÜNE appellieren wir  immer zuerst an das Verantwortungsbewusstsein der Menschen, den wertvollen Naturraum Isar zu genießen, ohne ihm zu schaden. Deshalb fordern wir eine umfassende Aufklärung der Münchner Bevölkerung über Schutzwürdigkeit und Nutzungsmöglichkeiten der Isar. Und wir müssen die passenden Rahmenbedingungen schaffen, dass die verantwortungsvolle Nutzung auch gelingt, z.B. dadurch dass im ausreichenden Maß Abfallsammelstellen oder Toiletten zur Verfügung stehen.

Wir begrüßen die Bemühungen der Stadt München, zur Einhaltung der Regeln verstärkte  Kontrollen durchzuführen, vor allem wenn das Wetter viele Menschen an die Isar zieht.

Wir wollen eine breite Bürgerbeteiligung, bei der die Stadtverwaltung mit den Bezirksausschüssen, den Umweltverbänden, Isar-Gruppierungen sowie AnwohnerInnen sinnvolle Maßnahmen für einen gerechten Interessenausgleich diskutiert. Ziel ist, den wertvollen Erholungsraum an der Isar für alle zu erhalten und gleichzeitig dem Naturraum Isar gerecht zu werden. Hierzu sind auch Erfahrungen und Lösungsansätze aus anderen Städten, die einen vergleichbaren Nutzungsdruck in ihren Grünanlagen haben, einzuholen. So könnten analog des Umgangs der Stadt Wien mit der Donau auf nutzungsintensive Gebiete der Natur und dem Naturgenuss vorbehaltene Bereiche folgen.

Im Anschluss werden die Nutzungskonkretisierungen sowie Maßnahmenvorschläge in einem breiten Diskussionsprozess, in dem sich alle Nutzergruppen sich beteiligen können, erörtert und verabschiedet. Am Ende sollen für die gefundenen Nutzungsbereiche Maßnahmen stehen, die z.B. das Grill-Müll-Dilemma wirksam in den Griff bekommen.

Gleichzeitig ist uns bewusst, dass wir in einer wachsenden Stadt mehr Aufenthaltsräume für die Münchnerinnen und Münchner schaffen müssen. Wir brauchen mehr Plätze, die zum Verweilen einladen, mehr Grün in den Straßen. Wir wollen die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums sowohl im Zentrum stärken als auch in den Stadtvierteln in Zentrumsnähe und am Stadtrand. Nur so gelingt es uns, dem Wunsch der Menschen, laue Sommerabende mit Freunden im Freien zu verbringen zu können, zu ermöglichen, ohne dass einzelne Bereiche übermäßig strapaziert werden.

Als feministischer Verband betrachten wir die Situation der Frauen an der Isar besonders und wollen dieses Thema als Querschnittsthema in der gesamten Diskussion beachten. Gerade der Schutz vor sexualisierter Gewalt darf nicht außen vor gelassen werden. Durch Beleuchtung der Wege, ordentliche Toiletten und vor allem Ansprechpartnerinnen für Frauen wollen wir die Sicherheit und die Aufenthaltsqualität verbessern. Durch ein langfristiges Programm soll über Bildung und weitere Maßnahmen, deren Erfolg geprüft werden muss, sichergestellt werden, dass alle Menschen die Isar gleichermaßen genießen können.

Wir GRÜNE fordern und regen an:

A) Für die Isar vom südlichen Stadtrand bis zur Wittelsbacherbrücke

Naherholungsgebiet rücksichtsvoll nutzen

Die Isar-Renaturierung gerade im Südteil ist ein großer Erfolg. Noch mehr als früher haben deshalb auch die Münchnerinnen und Münchner hier die Isar als Naherholungsgebiet für sich entdeckt. Dies hat ökologisch den Vorteil, dass lange Autoreisen zu ferneren Erholungsgebieten nicht stattfinden müssen. Gerade im südlichen Teil kommt es zu Nutzungskonflikten zwischen Naturschutz, Interessen der AnwohnerInnen und Freizeitinteressen.

Das Entfernen von Ästen zur Brennholznutzung, das Müllaufkommen (insbesondere Scherben und Einweggrills), Grillfeuer und Rauchschwaden belasten AnwohnerInnen und Natur gleichermaßen. Gerade an warmen Sommerabenden werden die bestehenden Regeln von vielen IsarbesucherInnen nicht eingehalten.

Es geht vor allem darum, dafür zu sorgen, dass die Menschen bestehende Regeln einhalten und aufeinander Rücksicht nehmen. Auf die Einhaltung dieser Regeln ist seitens der Stadt strikt zu achten. Das Parkpflegwerk für den Flaucher kann hier ein vielversprechender Ansatz sein. Denn es lässt auf den südlich gelegenen Kiesbänken das Grillen zu und versucht gleichzeitig auf der Insel, die Natur unter Rücksichtnahme auf das Erholungsbedürfnis der Menschen zu schützen. Wir werden die Umsetzung des Parkpflegewerks und weitere Entwicklung intensiv begleiten.

Unsere zentralen Forderungen sind hier:

  1. mehr (feste) Toiletten,
  2. Prüfung fest installierter Grillplätze sowie des Verbots von Einweggrills,
  3. Anpassung der Bade- und Bootsverordnung aus dem Jahr 1976,
  4. gezielte Lenkung von Mountainbikern und „Trailrunnern“ auf dafür geeignete Strecken,
  5. Zwischen den genutzten Bereichen sind immer wieder „Trittsteine“ für die Natur notwendig, in denen Naturgenuss möglich, aber keine intensive Nutzung zulässig ist.
  6. Die Flaucherinsel (Umgriff des Parkpflegewerks) soll vor allem der Erholung und dem Naturgenuss in naturnaher Umgebung dienen. Im Rahmen des Parkpflegewerks vorgesehene Freizeitmöglichkeiten sind möglichst naturverträglich einzurichten. Das Flaucher-Parkpflegewerk soll auf die Zielvorgaben des FFH-Gebietes abgestimmt werden. Der Nordteil der Flaucherinsel soll Ruhezone werden mit Nutzung ausschließlich zum Naturgenuss. Kontrollen durch die Stadt München sind hier notwendig. Die Münchner Grünen sprechen sich dafür aus, dass private Sicherheitsdienste an der Isar durch städtische MitarbeiterInnen ersetzt werden.
  7. Erweiterung des Isarbades „Maria Einsiedel“: Steigerung der Attraktivität und damit Lenkungsfunktion für Badebegeisterte (Fernhalten von anderen Bereichen). Prüfung und Ausweisung weiterer Bademöglichkeiten an anderen Stellen.

B) Für die Isar zwischen Wittelsbacher- und Luitpoldbrücke (Prinzregentenbrücke)

Urbanes Flair und schonender Umgang mit der Natur

Im innerstädtischen Bereich zwischen Wittelsbacher Brücke und Luitpoldbrücke ist die Isar zwischen dem vorbeiflutenden Verkehr an vielen Stellen kaum wahrnehmbar. Hier dreht die Stadt der Isar an vielen Stellen den Rücken zu. Der tosende Verkehr parallel zur Isar lässt bisher keinen Platz für eine Isarpromenade und attraktive Blickbeziehungen zur Isar sind eher selten. Fuß- und Radwegebeziehungen sind deutlich ausbaufähig. Die vor allem dem Autoverkehr gewidmeten Brücken über die Isar mit ihren herausragenden Blickbeziehungen sind für Fußgänger wegen der Vorherrschaft des Autoverkehrs unattraktiv.

Die Grünen haben in den letzten Jahren viele Stadtratsanträge gestellt und zahlreiche Diskussionen für mehr urbanes Flair angestoßen, die diesen Herbst in eine große Stadtratsvorlage des Planungsreferats münden.

Unsere zentralen Forderungen und Anregungen für diesen Isarbereich sind:

  1. Auf der Westseite insbesondere im Bereich von Deutschem Museum und Patentämtern wollen wir eine Isarpromenade mit Platz zum Flanieren und Verweilen schaffen – mit Blickbeziehungen zur Isar (möglichst ohne Baumfällungen), besseren Sitzgelegenheiten, Isarbalkonen, Terrassen bzw. breiten Treppen, auf denen man sich gerne niederlässt und auf die Isar blickt.
  2. Für eine höhere Aufenthaltsqualität muss der Raum für den ruhenden und fließenden Autoverkehr auf der Isarparallele zugunsten des Flanierens und Verweilens reduziert werden: Wir wollen im Sommer einen regelmäßigen temporären Isarboulevard, für den die westliche isarparallele Autostraße von der Wittelsbacher Brücke bis zur Luitpoldbrücke dem Fuß- und Radverkehr vorbehalten wird. Mittelfristig fordern wir die Umwandlung der Uferstraßen zu einem dauerhaften verkehrsberuhigten und vom Durchgangsverkehr befreiten Isarboulevard für FußgängerInnen.
  3. Ein Isarbad ohne Beeinträchtigung ökologischer Belange können wir uns zwischen Cornelius- und Ludwigsbrücke vorstellen. Voraussetzungen für ein Isarbad sind für uns eine Untersuchung zur Verträglichkeit mit der Fischfauna, ein umweltverträgliches Konzept sowie eine Planung, die nicht die gesamte Breite der Großen Isar für das Flussbad vorsieht.
  4. Eine durchgängige Wegeverbindung für Fußgänger und Radfahrer von der Corneliusbrücke bis zur Praterwehrbrücke auf der Westseite der Inseln soll geprüft werden. Auf der Museumsinsel nördlich der Ludwigsbrücke muss der Schutz der Kleinen Isar gewährleistet sein, d.h. hier soll kein Zugang entstehen. Auf der Praterinsel zwischen Kabelsteg und Praterwehrbrücke wollen wir eine Fahrradstraße.
  5. Die Brücken als Aussichtspunkte auf die Isar, insbesondere die Ludwigsbrücke – ein Ort, der die für die Gründung Münchens steht, sollen für Fußgänger attraktiver gestaltet werden mit Verkehrsberuhigung im Sinne des „Shared Space“ und besseren Querungsmöglichkeiten. Zudem sind Geschwindigkeitsbeschränkungen für den Autoverkehr einzurichten.
  6. Der Radverkehr braucht mehr Raum. Auf der Ostseite sollte eine Verschmälerung der Straße (Zeppelinstraße) für den Autoverkehr geprüft werden und in Höhe des Müller’schen Volksbades könnte ein Fußweg die Konflikte mit dem Fahrradverkehr verringern.
  7. Wir wollen die Dächer rund um die Isar, die herrliche Ausblicke ermöglichen, öffnen und für die Bürgerschaft zugänglich machen – etwa am Gasteig, am Deutschen Patentamt und am Deutsches Museum.
  8. An geeigneten Stellen (jedoch nicht direkt an der Isar) können wir uns vereinzelt Kioske und Gastronomie vorstellen. Als ein Standort für einen festen Kiosk kommt der Vater-Rhein-Brunnen (ohne Zugangsmöglichkeit zur Kleinen Isar) in Betracht, außerdem könnte das Maxwerk in den Maximiliansanlagen ein Café mit Dachterrasse werden.
  9. Den Kulturstrand, dessen jährliche Austragung wir unterstützen, können wir uns regelmäßig an geeigneter Stelle auch an der Isar vorstellen.
  10. Ausweisung der Kleinen Isar inklusive des Ein- und Ausflusses aus bzw. in die Große Isar, der Schwindinsel nebst Fischtreppe und der Weideninsel als Tabuzonen, die von jeglicher Nutzung freizuhalten sind (weitest gehendes Betretungsverbot). Ausweisung dieser Bereiche als Naturschutzgebiete.
  11. Anbringen von Informationstafeln an geeigneten Stellen (insbesondere an den bestehenden Fußwegen am Ostufer der Kleinen Isar), um den Erholungssuchenden die Renaturierung und die Naturausstattung der Isar näher zu bringen und die Bevölkerung für die Isar zu sensibilisieren,
  12. Auch im zentralen Isar-Abschnitt sind mehr (fest) Toiletten notwendig

Wir fordern einen konkreten Zeit- und Umsetzungsplan sowie eine begleitende Bürgerbeteiligung.

C) Für die nördliche Isar von der Luitpoldbrücke bis zum nördlichen Stadtrand

Dieser sehr lange Abschnitt der Isar, der vom Lehel und dem Friedensengel bis zur Leinthaler Brücke reicht,  wird oftmals übersehen, wenn über die Isar in München gesprochen wird. Wir wollen, dass die Renaturierung auch im nördlichen Flussbereich bis zum Oberföhringer Wehr fortgesetzt wird. Die Isar ist in diesem Bereich schwer zugänglich und von einem Wildfluss weit entfernt. Im Lehel lässt die stark befahrene Widenmayerstraße am westlichen Isarufer kaum Aufenthaltsqualität zu, genauso wenig die nördlich anschließende Ifflandstraße bis zum Mittleren Ring.

Unsere zentralen Forderungen sind hier:

  1. Renaturierung wie im Südteil der Isar.
  2. Verkehrskonzept für die Isarparallele auch im Abschnitt Widenmayer/Ifflandstraße, mit dem Ziel, den Autoverkehr zu reduzieren und Aufenthaltsqualität zu erhöhen
  3. Schaffung von geeigneten Nutzungsmöglichkeiten der Isar und des Uferbereichs, beispielsweise durch Isarbalkone auch im Bereich südlich der Tivolibrücke oder durch Treppen, die zum Verweilen einladen, an geeigneter Stelle
  4. Zwischen den genutzten Bereichen sind immer wieder „Trittsteine“ für die Natur notwendig, in denen Naturgenuss möglich, aber keine intensive Nutzung zulässig ist.
  5. Einbeziehung des Oberföhringer Wehrs in die Renaturierung.
  6. Umfangreiche Bürger- und Verbändebeteiligung.

Beschlossen auf der Stadtversammlung am 16.9.2015.