Crowdfunding und eine andere Kultur des Scheiterns können beim Gründen helfen. Von Heidi Schiller und Udo Philipp
Garage statt Fabrik, Kreativität statt Kapital: Wer heute ein Unternehmen gründen möchte, kann das schon mit Laptop und Internetzugang tun. Taugt meine Geschäftsidee? Ein paar Stunden in Internetforen, auf Crowdfunding-Plattformen oder gezielte Social-Media-Abfragen geben schnell eine erste Orientierung. Google & Co. helfen bei der Marktanalyse, Online-Werbung gibt’s auch fürs kleine Budget. Und so manch findige Gründung stößt den vermeintlichen Marktriesen vom Thron.
Dennoch – auch in der digitalen Welt geht es nicht ganz ohne Geld. Bankkredite können für junge Unternehmen immer noch eine Hürde sein, und Entwicklungshilfen für Unternehmensideen wie Venture Capital Fonds sind rar in Deutschland. Während in Ländern wie Israel, Schweden oder den USA ein Vielfaches an Venture Capital in ein Vielfaches an jungen Unternehmen investiert wird, gelten in Deutschland family&friends als wichtigste Finanzierungsquelle. Führen wir eine Luxusdebatte? Deutschland geht’s doch gut?! Oder sind wir dabei, den Anschluss zu verpassen? Wir können es uns nicht leisten, dass neue, erfolgreiche Unternehmen nur in anderen Ländern gegründet werden und zum Beispiel die Automobilindustrie von morgen in Kalifornien zu Hause ist. Und wir dürfen auch nicht um die Dinosaurier des 20. Jahrhunderts Schutzzäune ziehen. Sonst bekommen wir auch in 50 Jahren noch unseren Strom aus den Kohlekraft¬werken von EON und nicht von jungen Energiegenossenschaften.
Wir wollen nicht in einer verkrusteten Gesellschaft leben. Bei uns wird Vermögen über Generationen vererbt und konzentriert sich in Familiendynastien. Das unterscheidet Deutschland von anderen Industrienationen: Bill Gates, Steve Jobs und Mark Zuckerberg haben ihre Milliarden selbst erarbeitet. Junge Unternehmer wirken entscheidend daran mit, die Ungleichheit von Vermögen auszuhebeln – hier sind wir trauriger Spitzenreiter: Dem reichsten Prozent der Bevölkerung in Deutschland gehören ein Drittel aller Vermögen und dem reichsten Promille noch unfassbare 22 Prozent. Wir wollen daher die Rahmenbedingungen für Gründer*innen in Deutschland verbessern. Dazu gehört ein deutlich größeres Angebot an Venture Capital. Das ist einer der Gründe für die von uns geplante Reform der Riesterrente. Momentan versauert unsere private Altersvorsorge in teuren Lebensversicherungen. Wir wollen als Alternative dazu einen kostengünstigen Bürgerfonds ins Leben rufen, der auch in unternehmerisches Eigenkapital investieren kann.
Wir sollten auch die Chancen der Digitalisierung für die Finanzierung von Gründer*innen nutzen. Insbesondere für die lokale Wirtschaft sind Crowdfunding-Plattformen hoch interessant, stecken aber noch in den Kinderschuhen. Das Potenzial für Produktentwicklungen, Markttests und ähnliches durch die zukünftigen Kunden wird gerade erst entdeckt. Wir müssen aber auch Regulierung grundsätzlich entschlacken: Meist extrem komplex und nur mit viel juristischer Beratung überhaupt zu verstehen, ersticken kleine Unternehmen im Regulierungsdschungel und neue Unternehmen können gar nicht erst gegründet werden. Wir wollen daher einfache aber harte Regeln,die auch große Betriebe einhalten müssen und die kleine und junge Unternehmen leben lassen.
Noch ein Wort zur Gründungskultur in Deutschland. Heute gilt es als großer Makel, wenn man sich selbständig macht und scheitert. Das müssen wir ändern. Denn zu gründen, heißt auch, den Mut zum Scheitern zu haben. Wir müssen schon in der Schule anfangen, unseren Kindern beizubringen, dass Mut zum Ausprobieren eine Qualität ist, und Fehler eine Chance bedeuten, aus ihnen zu lernen.
Lasst uns diese Einstellung auf Twitter & Co. in die digitale Welt tragen, für mehr mutige Gründungen bei uns!