Um es gleich vorneweg zu nehmen: der aktuelle Entwurf des Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 wird den Anforderungen an ein zukunftsfähiges Mobilitätssystem in keiner Weise gerecht. Er berücksichtigt weder technische Innovationen noch demographische Entwicklungen, weder Alternativplanungen zum Straßensystem noch grenzüberschreitende Verkehre und ist weder hinsichtlich der Umwelt- noch der Klimabelange adäquat.
Dabei ist die Zeit reif: Bewusstseinsveränderungen in der Gesellschaft, die zu messbaren veränderten Nutzerverhalten weg von der individuellen Privat-Automobilität hin zur Smart Mobility führen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ausgereifte technische und organisatorische Konzepte zu einer emissionsarmen Mobilität, die bereits vorliegen und (nur noch) umgesetzt gehören: Elektromobilität und weitere klimaneutrale Antriebskonzepte, Car-Sharing, eine Mobilitätskarte für alle Verkehrsmittel, Konzepte für den Hochgeschwindigkeits-Bahnverkehr und Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene.
Also eigentlich beste Voraussetzungen um zwei wichtige Zielsetzungen des BVWP 2030 „Verbesserung der Lebensqualität“ und „Einhaltung der Klimaziele“ anzugehen. Wie sieht es aber hiermit konkret aus?
Klimaschutzziele ernst nehmen!
Mit dem Pariser Klimaabkommen wurde beschlossen, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Der BVWP 2030 als Grundstein für die Verkehrsinfrastrukturpolitik des Bundes der nächsten Jahrzehnte muss sich an diesen Klimazielen messen lassen. Zwar heißt es im Referentenentwurf von März 2016, dass auch Aspekte des Klimaschutzes abgebildet würden, jedoch für eine Senkung der CO2-Emissionen effizientere, nicht infrastrukturelle Maßnahmen bereitstünden (etwa eine verbesserte Kraftstoffeffizienz). Diese Betrachtungsweise ignoriert jedoch die Tatsache, dass die stetige Zunahme des Verkehrs, insbesondere des Güterverkehrs, die Einsparungen kompensiert, die durch bessere Antriebstechnologien und alternative Kraftstoffe erreicht werden konnten. Vielmehr müsste der BVWP einen Beitrag zu einer integrierten, verkehrsmittelübergreifenden Mobilitätsstrategie mit anspruchsvollen Klimazielen leisten – hiervon ist der aktuelle Entwurf weit entfernt.
So stellt das Umweltbundesamt (UBA) nach seiner ersten Analyse auch fest, dass elf der zwölf im Umweltbericht gesetzten Ziele verfehlt würden – und sich dies vor allem bei der bescheidenen Klimabilanz zeige. So könnten nach Berechnungen des UBA alleine durch Verkehrsverlagerungen im Individual- und Straßengüterverkehr auf der Straße fünf bis zehn Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden.
Lebensqualität in Städten!
Der BVWP setzt klar auf Ortsumfahrungen und weiteren Ausbau der Bundesstraßen und Autobahnen, also auf die Fortführung der Verkehrspolitik der 70er Jahre. Dabei müssten gerade jetzt die Weichen für eine zukunftsfähige Mobilität gestellt werden: massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Infrastruktur für Elektromobilität und für das selbstfahrende Auto, Mobilitätsstationen in den Wohn- und Arbeitsquartieren, Fahrradschnellwege und elektronisches Ticketing, um nur einige zu nennen.
Der Verkehrssektor verursacht pro Jahr rund 162 Millionen Tonnen CO2 und hat seine Emissionen seit 1990 kaum gemindert. Mit dem vorliegenden Entwurf bleibt’s dabei. Das dient weder der Lebensqualität in unseren Städten noch dem Weltklima. Schade um diese verpasste Chance!
von Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung 2°, Stadträtin, Stadtplanungs- und Umweltausschuss