Auf welchen Routen man sich per Fahrrad umweltfreundlich im Münchener Süd-westen bewegen könnte und was für ein sicheres, attraktives und schnelles Fort-kommen fehlt, darüber informierte eine Arbeitsgruppe der Grünen Ortsverbände Sendling/Westpark, Hadern und Solln-Thalkirchen-Obersendling-Fürstenried-Fors-tenried (STOFF) bei einer gut besuchten Infoveranstaltung mit dem Titel „Mehr Rad! Umweltfreundliche Mobilität im Münchner Südwesten“.
Es gäbe gute Routen und schnelle Trassen, auf denen man sich aus dem Umland und den Außenbezirken im Münchener Südwesten mit dem Fahrrad bewegen könnte, aber es fehlt anBeschilderung, an Komfort, an Sicherheit und schlicht an Attraktivität. Das ist das Fazit einerempirischen Analyse der Arbeitsgruppe Rad (AG Rad) der Südwest-Ortsverbände, die jetzt die möglichen Routen und ihre Defizite bei einer Infoveranstaltung im Sendlinger Tannen-garten vor knapp 70 Teilnehmer*innen vorgestellt hat. Ziel war es laut Mitinitiator Hans Du-solt, bezirksübergreifend einen Plan mit geeigneten Radrouten zu erstellen. „Wir meinen wohlgemerkt keine Radschnellwege, sondern Trassen, die für alle gut zu befahren sein soll-ten, vor allem auch für ältere Leute und Kinder“, skizzierte Dusolt weiter.
Die Radroutenexperten der AG hatten sich bei der Erstellung der professionellen digitalisier-ten Radkarte auch an dem sogenannten Rad-Vorrangnetz und den Vorschlägen der Platt-form sowie App MunichWays orientiert, aber auch komplett eigene Wege eingeschlagen. Sämtliche Routen wurden von den passionierten Radlern der AG abgefahren, auf Eignung überprüft und auf Gefahrenstellen untersucht. Dabei wurden nicht nur die „Hot Spots“, po-tenzielle Unfallherde, markiert, sondern auch fotografisch dokumentiert. So entstand ein nach Radeignung von grün bis schwarz farblich abgesetztes Routennetz, das mit zahlreichenHinweisen versehen ist, eine Art Radroutenkompendium, das als Arbeitsgrundlage dienen soll. Entsprechend hatten die Besucher der Veranstaltung Gelegenheit, eigene Vorschläge einzubringen und auf großformatigen Stadtteilkarten zu markieren. „Wir wollen nicht nur die0,5 Prozent furchtloser Powerradler oder die fünf Prozent wetterfesten Ganzjahresbiker errei-chen, sondern eben auch die große Mehrheit der Normalradfahrer, die sich einfach nicht si-cher genug fühlen können auf den Radwegen im Südwesten“, erklärte Dr. Michael Hälsig, ei-ner der Radroutenanalysten.
Er bezeichnete den Südwesten und insbesondere Solln als „Stiefkind“ der Radpolitik. Tras-sen wie die Neurieder oder Herterichstraße seien „ein Fall für Selbstmörder“, so sein Urteil. Er monierte wie an so vielen der untersuchten Routen, dass Radwege etwa auf der Straße enden, Autos meist Vorfahrt hätten (Benediktbeurerstraße) oder gar eng gesteckte Radler-sperren das Fortkommen verlangsamten, für Lastenräder sogar verunmöglichten. Er forder-te etwa einen konsequenten Ausbau der Wolfratshauser Straße als schnelle Radtrasse, den stellenweisen Abbau von Parkplätzen am Straßenrand zugunsten eines sicheren beiderseiti-gen Radwegs (wie an der Marta-Maria-Klinik) und eine klare Trennung von Fuß- und Radweg,wo es teils noch kombinierte Nutzungen auf engstem Raum gebe. Die Alternative zur Wolfratshauser Straße werde seit acht Jahren von einer Baustelle blockiert.
Wer sich aus Richtung Starnberg der Stadt per Rad nähern wolle, für den wäre eigentlich dieRoute Gräfelfinger-, Guardini-, Ehrwalder- und Treffauerstraße ideal, führte Mitautor Uwe Zimmermann aus. Allerdings werde hier zu schnell gefahren. Er schlug eine Tempo-30-Zone vor, um das Radfahren sicherer zu machen und regte für den Bereich um den Partnachplatz eine Art „Shared Space“ an. Auch in der Pfingstrosenstraße in Hadern sähe er eine „top Rad-route“, monierte dagegen den miserablen Radweg oberhalb des Heckenstallertunnels samt hochgefährlicher Engstelle an der Aufmauerung zum Brudermühltunnel, ein Abschnitt, der trotz Neuplanung radmäßig versäumt wurde. Jetzt müsse man einen unguten Umweg über die Gottfried-Böhm-Straße in Kauf nehmen, wolle man halbwegs angenehm radeln, klagte Zimmermann.
„Generell fehlt es auch massiv an einer klaren und durchgehenden Beschilderung. Die vor-handenen Radrouten sind alles andere als intuitiv zu befahren“, monierte auch Stadtrats-kandidat Christian Smolka, der bei der Gelegenheit als Mitglied des Lenkungskreises für den Radentscheid München über den Stand der Dinge in Sachen Umsetzung des Entscheids refe-rierte. Das sei eben eines der Ziele des Entscheids, für logische Wegführung und schnell les-bare Beschilderung zu sorgen. Er weitete aber auch den Fokus und mahnte neben dem Aus-bau des Radverkehrs eine deutliche Verbesserung für Fußgänger, des ÖPNV sowie Erleichte-rungen für Carsharing an. Zugleich müsse der Parkraum viel konsequenter gemanagt wer-den, die bei weitem zu günstigen Parkgebühren sorgten noch immer für eine gewaltige Sog-wirkung. Für eine Familie aus Starnberg sei es preiswerter, mit dem Auto in die Stadt zu fah-ren als mit der S-Bahn. Und wenn am Arbeitsplatz Parkplätze zur Verfügung stünden, würde auch eine überwiegende Mehrheit das eigene Fahrzeug als Verkehrsmittel wählen. „Die Mo-bilitätswende in München braucht einen klugen Mix aus Maßnahmen“, forderte er.
Für die Bezirksausschusskandidatin Dagmar Irlinger von der AG Rad Südwest sei es bei dem Projekt darum gegangen, exemplarisch aufzuzeigen, was konkret getan werden müsse, da-mit sich eine große Mehrheit von potenziellen Radfahrern auch zu radeln traue. Man wolle jetzt auch in Zusammenarbeit mit den Bezirksausschüssen, die die „Vor-Ort-Expertise“ besä-ßen, die Projekte vorantreiben und möglichst viele Einzelmaßnahmen auch in die Umset-zungsliste für den Radentscheid einbringen. Stadtübergreifend sieht man auch den jüngst begründeten Arbeitskreis Urbane Mobilität der Grünen als Plattform an, um die Erkenntnisse der AG Rad Südwest auf andere Stadtviertel zu übertragen. „In zehn Jahren wird die Stadt anders aussehen“, ist sich Christian Smolka sicher.