Offener Brief an den ungarischen Generalkonsul

München, 22.06.2021

Sehr geehrter Herr Tordai-Lejkó,

mit Bedauern und Besorgnis beobachten wir den seit Jahren anhaltenden Kurs der ungarischen Regierung bezüglich der Rechte von queeren Menschen. Was in der EU juristisch weitgehend und gesellschaftlich überwiegend Konsens ist, wird in Ungarn Stück für Stück politisch demontiert: die Akzeptanz und Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und insbesondere von nicht-binären und trans* Menschen durch deren Verbannung aus der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, durch Adoptionsverbote und die faktische Auslöschung von Transsexualität und Transidentität.


Im Juni verabschiedete die Regierung ein Gesetz, das an das russische Propagandagesetz angelehnt ist und Aufklärung und Information über queere Menschen verbietet. Diesmal unter dem Vorwand des Jugendschutzes, womit suggeriert wird, dass LSBTIQ*-Menschen eine Gefahr für Kinder und Jugendliche darstellen. Das ist in keinster Weise akzeptabel. Abgesehen von dem damit verbundenen und nicht hinnehmbaren Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit, in Bildung und Freiheit der Medien ist dieses Gesetz ein Affront gegenüber queeren Menschen und ihrer Freiheit in der Selbstbestimmung. Die wichtigen Pride-Paraden in ganz Europa werden damit in Ungarn potenziell zu einem Gesetzverstoß, sofern darüber berichtet wird. Die Sexualaufklärung in Schulen und durch Medien wird durch das Gesetz massiv eingeschränkt. Leidtragende sind letztlich queere Kinder und Jugendliche, die statt Beratung und Unterstützung mehr und mehr Ausgrenzung und Stigmatisierung erleben werden.

Sie wissen, dass sich Menschen weder Homosexualität noch Transsexualität aussuchen. Sie wissen, dass es nicht nur Männer und Frauen gibt, sondern auch Menschen, die sich – auch auf biologischer Grundlage – nicht-binärgeschlechtlich verorten können und wollen.Diese Menschen sind nicht so geworden, weil jemand dafür geworben hat! Und sie haben ein Recht darauf so akzeptiert zu werden, wie sie sind. Ein Verbot der Sichtbarmachung reduziert den Anteil queerer Menschen an der Bevölkerung nicht. Nicht in Russland, nicht in Ungarn und auch sonst nirgendwo.

Sie leiten das ungarische Generalkonsulat in München. München ist bunt, München ist weltoffen und vielfältig. Vielfalt und Freiheit bereichern das Leben und die Kultur in München. Als Mitbürger wissen Sie um die Vorteile einer vielfältigen Gesellschaft und ihrer Wirkung auf unsere Landeshauptstadt und deren Bild in der Welt.

Die queerfeindliche Politik der amtierenden ungarischen Regierung und das Propagandagesetz zur Verdrängung von Vielfalt aus der medialen Wahrnehmung verurteilen wir daher aufs Schärfste!
Dieses Schreiben geht in Kopie an den ungarischen Botschafter Péter Györkös.

Mit freundlichen Grüßen,



Ursula Harper Joel Keilhauer Cosima Pfannschmidt



Anais Schuster-Brandis Gerrit Siegers Arne Brach
Vorstand Bündnis 90 / Die Grünen, Kreisverband München


Tessa Ganserer
Mitglied des Bayerischen Landtags


Florian Siekmann
Mitglied des Bayerischen Landtag


Dominik Krausestv. Fraktionssprecher, Stadtrat München


Beppo Brem
Sprecher für Sportpolitik, Stadtrat München


Florian Schönemann
Stadtrat München