Die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Anfang Januar angekündigte Aufhebung der Altersgrenze für kommunale Wahlbeamte zeigt die mutmaßlich erhoffte Wirkung. Der Adressat der Gesetzesänderung, Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), hat jede kritische Kommentierung Richtung Staatsregierung eingestellt. Selbst nach den jüngsten Enthüllungen zur 2. S-Bahn-Stammstrecke, denen zufolge die Staatskanzlei die Milliarden-Mehrkosten und Verzögerungen der Öffentlichkeit und der Landeshauptstadt München jahrelang verheimlichte, schwieg der Oberbürgermeister, der ansonsten nie um eine Kommentierung weit weniger wichtiger Themen verlegen ist.
Vorige Woche traf das neue Team Söder-Reiter erstmals im Valentin-Musäum aufeinander. Die Presse beobachtete dort einen beinahe zärtlichen Umgang. Die SZ schrieb von einem „Flirt“ und einer „neuen Männerfreundschaft“, laut Münchner Merkur freute sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) darüber, dass Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) „seit Januar plötzlich freundlicher zu mir ist“.
Dazu sagt die Vorsitzende der Münchner Grünen, Svenja Jarchow:
„Das Aufeinandertreffen hat gezeigt, dass sich die Statik im Verhältnis von Freistaat und Stadt geändert hat. Wir haben jetzt ein Verhältnis Ober-Unter. Das ist auch kein Wunder. Dieter Reiter hat sich in eine fatale Abhängigkeit begeben, seine politische Zukunft hängt jetzt vom Wohlwollen des Ministerpräsidenten ab – und der wird ihn bis mindestens nach der Landtagswahl zappeln lassen. Der Söder-Reiter-Deal nutzt vor allem der CSU im Landtagswahlkampf, schließlich ist vom Münchner OB bis auf weiteres keine Kritik mehr Richtung Staatsregierung zu erwarten.“
Grünen-Vorsitzender Joel Keilhauer sagt:
„Kann Herr Reiter seine Verantwortung für München in Verhandlungen mit der Staatsregierung noch 100 Prozent wahrnehmen, wenn er gleichzeitig vom guten Willen des Ministerpräsidenten abhängig ist? Das ist ein offenkundiger Interessenskonflikt. Das laute Schweigen des OB zum Versagen des Freistaats beim Wohnungsbau oder der 2. S-Bahn-Stammstrecke ist symptomatisch und legt den Verdacht eines Deals nahe: Keine Kritik aus München im Landtagswahlkampf im Gegenzug für eine Gesetzesänderung.“
Die Münchner Grünen fordern die bayerische Staatsregierung auf, das Gesetz über kommunale Wahlbeamte unverzüglich zu ändern und die Altersgrenze abzuschaffen, um eine für München problematische Hängepartie bis nach der Landtagswahl zu vermeiden. In diesem Zuge ist es folgerichtig, die willkürliche Altersgrenze von 40 Jahren für das Amt der Ministerpräsidentin bzw. des Ministerpräsidenten ebenfalls abzuschaffen.