Am 3. Mai 2020 haben die Vertreter*innen der Grünen – Rosa Liste und von SPD/Volt den Koalitionsvertrag für die Stadtratsperiode 2020-2026 unterzeichnet. Unter dem Motto „Mit Mut, Zuversicht und Visionen – Ganz München im Blick“ haben die Partner vereinbart, München als lebens- und liebenswerte Stadt zu erhalten und gleichzeitig für die großen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft vorzubereiten.
Katrin Habenschaden ist seitdem Münchens Zweite Bürgermeisterin und wir haben drei Jahre nach dem Start der aktuellen Rathaus-Legislatur mit ihr gesprochen.
Katrin, fangen wir chronologisch an. Am 4. Mai 2020, einen Tag nachdem ihr den Kooperationsvertrag der aktuellen Rathaus-Koalition unterzeichnet habt, gab’s erste Lockerungen nach dem ersten Corona-Lockdown. Wie war das, in so einer Zeit Verantwortung zu übernehmen?
Katrin Habenschaden: Wir wollten als Grüne unbedingt wieder Verantwortung übernehmen nach sechs Jahren GroKo-Stillstand im Münchner Rathaus. Dabei hatten aber alle, inklusive mir, an Klimaschutz, Verkehrswende oder Wohnungsbau gedacht, nicht an eine weltweite Gesundheitskrise. Aber in der Politik muss man sich immer wieder auf neue Themen und Entwicklungen einlassen – deshalb ist der Job ja auch so interessant und vielseitig. Verantwortung zu übernehmen, das gehört ein Stück weit zur Grünen DNA. Unsere Partei hatte immer schon einen besonderen Gestaltungs-Impetus. Wir glauben, dass die Zukunft gut werden kann, indem man Verantwortung übernimmt und handelt. Nichts tun und in der Vergangenheit zu schwelgen, das ist die Kernkompetenz der CSU.
Dann kam vor gut einem Jahr der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und damit die Energiekrise hinzu. Wie blickst du hier zurück auf das vergangene Jahr?
Corona hatte gerade seinen größten Schrecken verloren und ich war hoffungsvoll, dass wir den Krisenmodus beenden können – dann brach plötzlich Krieg in Europa aus. Die eine Krise wurde von der anderen abgelöst. Die ersten Wochen nach Kriegsbeginn waren schon sehr herausfordernd. Wir haben im städtischen Krisenstab alle notwendigen Schritte eingeleitet – von der Hilfe für unsere Partnerstadt Kyiv über die Aufnahme geflüchteter Menschen hier in München. Natürlich war die Sorge vor einem Energiemangel erstmal groß. Bundesregierungen aus Union und SPD hatten uns über Jahre immer stärker in eine fossile Abhängigkeit zu Russland getrieben. Ich erinnere mich noch an den Bundestagswahlkampf, als einzig Annalena Baerbock auf diese Gefahr hingewiesen hatte und dafür verspottet wurde. Zum Glück hat die Bundesregierung dann voriges Jahr schnell und entschlossen gehandelt, allen voran Robert Habeck. So ist es gelungen, die Energieversorgung sicherzustellen. Wir haben als Stadtverwaltung natürlich auch versucht, den Energieverbrauch zu senken. Durch weniger Heizen in den städtischen Gebäuden zum Beispiel. Im Rathaus war es den ganzen Winter über – mit Verlaub – saukalt, meine Skiunterwäsche hat da zum Glück gute Dienste geleistet.
Du bist als Zweite Bürgermeisterin u.a. auch für den Klima- und Umweltschutz in München zuständig. Was haben wir hier in den zurückliegenden drei Jahren erreicht und was steht noch an?
Die Klimakrise bedroht unsere Lebensgrundlagen, unseren Wohlstand – auch unseren Frieden. Sie ist eine Existenzfrage. In München spüren wir die Auswirkungen bereits. Hitzesommer und Extremwetter-Ereignisse nehmen zu, die Durchschnittstemperatur in München ist seit 1950 um 2 Grad gestiegen. Jedes Jahr, das wir verplempern durch Nichthandeln, wird uns später einholen. Als Grüne haben wir deshalb 2020 ein sehr ehrgeiziges Klimaschutzprogramm in den Koalitionsvertrag verhandelt und setzen das seitdem um. Keine andere deutsche Großstadt betreibt Klimaschutz so ehrgeizig wie München. Wir geben Hunderte Millionen Euro aus für Gebäudesanierung, fördern den Ausbau von Photovoltaik und Geothermie, investieren massiv in die Verkehrswende und wir unterstützen die Wirtschaft bei ihrer ökologischen Transformation. Kein Klimaschutz ist die größte Bedrohung für unseren Wohlstand.
Klimaneutrales München, das ist das große grüne Projekt. Warum werden davon in der Stadt alle stark profitieren?
Von einem klimaneutralen München werden wir alle profitieren. Durch mehr Bäume und Grünflächen, bessere Luft, einen gut ausgebauten ÖPNV, zukunftsfeste Arbeitsplätze und erfolgreiche Unternehmen. Aber auch durch niedrigere Kosten für Energie. Ein klimaneutrales München wird so attraktiv sein wie nie zuvor – und unsere Kinder werden uns einmal danken, dass wir damals gehandelt haben. Es war für mich als Grüne Fraktionschefin ein historischer Tag, als der Stadtrat im Jahr 2019 auf unsere Initiative hin beschlossen hat, dass München bis 2035 klimaneutral sein soll.
An welchen Stellen merken wir denn darüber hinaus, dass es für die Münchner*innen gut ist, dass wir Grüne in München regieren. Wo sehen wir, dass Grün wirkt?
Glaubt irgendjemand, dass mit einer CSU in der Regierung ein einziger Schanigarten genehmigt worden wäre? Niemals, denn das hätte schließlich Parkplätze gekostet, also das höchste Gut, das es aus CSU-Sicht gibt in unserem Land. Die Schanigärten sind Ausdruck des Münchner Lebensgefühls und wir haben sie möglich gemacht. Aber auch darüber hinaus ist die Grüne Handschrift in der Stadt zu erkennen. Zum Beispiel an den neuen breiten Fahrradwegen oder an den Dächern, auf denen immer mehr Photovoltaik entsteht. Man erkennt sie auf den Plätzen, wo plötzlich Bäume gepflanzt werden und Sitzmöglichkeiten eingerichtet werden. Einiges wird man erst später sehen können, etwa neue Trambahnen oder die Altstadt für alle mit stark reduziertem Autoverkehr. Aber die Weichen in München sind gestellt – und zwar Richtung Zukunft.
Du bist jetzt seit drei Jahren Münchens Zweite Bürgermeisterin. Ganz allgemein: Wie fällt dein persönliches Zwischenfazit aus?
Mein Fazit ist positiv, denn wir haben politisch unheimlich viel auf den Weg gebracht und den Reformstau der letzten Jahre aufgelöst. Ich muss hier mal unserer Stadtrats-Fraktion ein riesen Kompliment machen, die unglaublich viel leistet. Natürlich sind wir in einigen Bereichen nicht dort, wo wir sein wollten, ich denke da an den Ausbau der Rad- und ÖPNV-Infrastruktur. Aber die Verwaltung, die den politischen Willen in die Wirklichkeit umsetzt, hat in den letzten drei Jahren einfach unglaublich viele fachfremde Aufgaben übernehmen müssen. Alleine für die Corona-Kontaktnachverfolgung waren hunderte von Kolleg*innen aus den Referaten über Jahre abgezogen. Das war Schwerstarbeit für die Stadtverwaltung, für die ich nicht genug danken kann.
Wie ist es so, Zweite Bürgermeisterin zu sein? Was magst du daran besonders?
Für mich ist es auch nach drei Jahren immer noch etwas Besonderes, 2. Bürgermeisterin Münchens zu sein – vor allem seit die persönlichen Treffen und Gespräche mit den Menschen wieder möglich sind. München ist eine traditionsreiche Stadt. Aber München ist auch eine dynamische, internationale Stadt. Das müssen wir immer wieder in Einklang bringen. Und das macht mir unheimlich Freude.
Drei Jahre liegen jetzt noch vor der Rathaus-Koalition. Was sind hier die Aufgaben, die vor euch liegen?
Wir haben in den vergangenen Jahren politisch viele wichtige Beschlüsse gefasst, in den nächsten drei Jahren will ich gerne möglichst viel davon umsetzen. Sei es bei Klimaschutz, Verkehrs- und Energiewende oder einer grünen Stadtgestaltung. Als Bürgermeisterin gab und gibt es für mich aber ein politisches Meta-Thema, und das ist München in seiner Identität als Stadt für alle zu bewahren. Mit alle meine ich: Ganz gleich wie viel Geld man hat, woher man kommt, wen man liebt und wie man sein Leben gestalten möchte. Münchens wahrer Reichtum sind seine Vielfalt und die vielen unterschiedlichen Lebensentwürfe, die unsere Stadt prägen und so besonders machen. München als Stadt für alle – dafür werden wir uns als starke grün-rosa Fraktion weiter einsetzen.
Interview: Robert Simbeck
Foto: Andreas Gregor
Auch die Stadtratsfraktion im Rathaus, Die Grünen – Rosa Liste, hat zur Koalitionshalbzeit Bilanz gezogen. Hier kannst Du sie lesen, inklusive einer Einschätzung der beiden Fraktionsvorsitzenden Mona Fuchs und Dominik Krause.